146 Jahre "Mannheimer Akte"
Zum zwanzigsten Mal fand im Kurfürstlichen Schloss Mannheim das große Schifffahrtsbankett zu Ehren der Revidierten Rheinschiffahrtsakte von 1868 statt, die seit nunmehr 146 Jahren für freie Fahrt auf
dem Rhein sorgt. Eingeladen hatte der Mannheimer Schiffahrtsverein von 1894 e. V. (MSV), unterstützt von der Gesellschaft zur Förderung des Binnenschifffahrtsrechts an der Universität Mannheim e. V.
(GBM) und der Stadt Mannheim. Rund 100 Gäste aus der Schifffahrtsbranche, Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Forschung und Lehre versammelten sich am 19. November 2014 im Rittersaal, um gemeinsam der
historischen Unterzeichnung der sogenannten "Mannheimer Akte" zu gedenken, die bis zum heutigen Tag nichts an internationaler Bedeutung und Aktualität verloren hat.
Der Festakt wurde mit einem Grußwort von Werner Ronneburger-Schlamp, dem 1. Vorsitzenden des MSV, eröffnet. Die Bedeutung des Rheins und besonders des Hafens für Mannheim würdigte Mannheims
Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz. Er verwies auf den bis 2030 prognostizierten starken Zuwachs der Güterverkehre, an dem die Binnenschifffahrt jedoch unterproportional partizipiere – und das trotz
ihrer unbestreitbaren Vorteile. So liege der Kraftstoffverbrauch bei einem Sechstel gegenüber dem Straßenverkehr, es seien weniger Unfälle und eine geringere Lärmbelästigung zu verzeichnen.
Verleihung der Rheinschifffahrtsplakette
Der Oberbürgermeister nahm anschließend die Verleihung der Rheinschifffahrtsplakette der Stadt Mannheim vor. Mit dieser hohen Auszeichnung ehrt die Stadt auf Vorschlag des MSV seit 1984
Persönlichkeiten, die sich um die internationale Rheinschifffahrt besonders verdient gemacht haben. In diesem Jahr wurde Cathérine Trautmann, Präsidentin des Straßburger Hafens, unter anderem für ihr
Engagement für das Projekt "Upper-Rhine Ports: a connected corridor", das den Grundgedanken der Mannheimer Akte aufgreife, ausgezeichnet. Stellvertretend für Trautmann, die als EU-Abgeordnete und
Mitglied im Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie wegen der Übernahme einer weiteren Aufgabe nicht persönlich anwesend sein konnte, nahm der Direktor des Straßburger Hafens Jean-Louis Jérôme
die Auszeichnung entgegen.
Bei Gefahr für die Binnenschifffahrt bitte läuten ...
Der Generalsekretär der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt Hans van der Werf warb dafür, die Stärken der beiden Verkehrsträger Schiene und Wasserstraße zielgerichtet einzusetzen und nannte
den Rhein "das Maß aller Dinge", auf dem sich der größte Teil der europäischen Binnenschifffahrt abspiele. Bezüglich des nicht immer unproblematischen Zusammenspiels zwischen der ZKR und der EU
plädierte er für "vernünftige Verfahren": "Die Reibungslosigkeit der Abläufe auf dem Rhein ist wichtiger als die Frage, welches Recht an welcher Stelle des Stroms anzuwenden ist." 2003 wurde eine
erste Vereinbarung zwischen ZKR und EU unterzeichnet, 2013 beschloss man eine weitere Intensivierung der Zusammenarbeit. "Sollte die Rheinschifffahrt einmal in Gefahr geraten, bitte kräftig läuten":
Mit diesen Worten überreichte der MSV-Vorstand dem ZKR-Chef eine Schiffsglocke, wie es beim Schifffahrtsbankett seit jeher Tradition ist.
Mannheims Hafendirektor Roland Hörner lenkte den Blick auf die Verbindung von Hafen und Stadt Mannheim mit ihrer langen gemeinsamen Geschichte. Bis heute trage die Mannheimer Akte zur Belebung des
Handels auf dem Rhein bei. Angesichts der Herausforderungen durch weiter stark wachsende Verkehre sei die grenzüberschreitende Kooperation zwischen Häfen und Staaten heute ebenso wie schon 1868 von
größter Bedeutung, sagte er auch in seiner Funktion als Vizepräsident des Europäischen Verbandes der Binnenhäfen. "Der EFIP/EVB vertritt 200 europäische Binnenhäfen, davon in der Schweiz und der
Ukraine zwei außerhalb der EU – damit sind wir der EU ein wenig voraus", schmunzelte Hörner. Exemplarisch stellte er zwei große Projekte vor, bei denen europäische Staaten und Häfen derzeit
zusammenarbeiten: die "Upper Rhine Ports"-Initiative und die Verkehrsachse Rotterdam – Genua "CODE24". Er blickte auch gleich in die Zukunft vor der Tür, wird doch im Jahr 2015 der 175. Geburtstag
der Eröffnung des "Neuen Mannheimer Hafens" (1840) und der 25. Geburtstag der Staatlichen Rhein-Neckar-Hafengesellschaft Mannheim mbH (1990) gefeiert.
Funktionierende Infrastruktur ist ein Muss
In einem gemeinsamen Grußwort, überbracht durch Georg Hötte, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Binnenschifffahrt e. V. (BDB), bekräftigten die Rheinanliegerstaaten Schweiz, Frankreich,
Deutschland, Niederlande und Belgien ihre große Verbundenheit mit der Rheinschifffahrt und dankten dem Mannheimer Schiffahrtsverein für seinen Einsatz um die Mannheimer Akte. Hötte sah gegenwärtig
durchaus Anlass, die mahnende Schiffsglocke zur Unterstützung der Rheinschifffahrt zu läuten: "Vieles spricht für eine stärkere Einbeziehung der Binnenschifffahrt in Güterverkehrskonzepte. Nach der
Krise 2008/2009 haben Liquiditätsprobleme manches Schifffahrtsunternehmen an den Rand des Zusammenbruchs getrieben. Die Auswirkungen der Krise spürt die Branche immer noch – bis heute konnten die
Mengen und die Frachten nicht das Vorkrisenniveau erreichen, und das bei steigenden Kosten!", warnte er.
Nur ganz langsam dämmere es der Politik und den Bürgern, wie wichtig eine funktionierende Infrastruktur für den allgemeinen Wohlstand sei. Dringend müssten die gesetzlichen Grundlagen geschaffen
werden, um volkswirtschaftlich notwendige Baumaßnahmen auch zügig umsetzen zu können. Konkret ging es Hötte um den Erhalt und den Ausbau von Schifffahrtswegen: "Den Ausbau der Neckarschleusen wünsche
ich mir mindestens bis nach Stuttgart, und das bitte in überschaubarer Zeit!". Als potenzielle "Totengräberei" für die deutsche und europäische Binnenschifffahrt bezeichnete der BDB-Präsident gewisse
EU-Umweltschutzanforderungen, die Binnenschifffahrt dürfe hier nicht überfordert werden. "Ohne die Mannheimer Akte säßen wir alle heute Abend nicht hier", sagte Hötte und betonte, dass dieses
europäische Vertragswerk seiner Zeit damals weit voraus war. Der Korridor Rotterdam – Genua sei heute von 70 Millionen Menschen bevölkert, in diesem Wirtschaftsraum werden jährlich 700 Millionen
Tonnen Güter bewegt – Zahlen, an die 1868 nicht zu denken war. Abschließend wünschte er der am 20. November ebenfalls in Mannheim stattfindenden 2. CODE24-Korridorkonferenz, dass der Geist der
Pioniere der Mannheimer Akte über ihr schweben möge.
Anno 1983 schlug der Mannheimer Schiffahrtsverein von 1894 e. V. dem damaligen Mannheimer Oberbürgermeister Gerhard Widder vor, eine besondere Auszeichnung ins Leben zu rufen: die Rheinschiffahrtsplakette der Stadt Mannheim.
Die Plakette in Form einer ovalen Platte aus Majolika wird im festlichen Rahmen des Mannheimer Schifffahrtsbanketts verliehen, das der MSV in Erinnerung an die historische Unterzeichnung der Mannheimer Akte alle zwei bis drei Jahre im Kurfürstlichen Schloss ausrichtet.
Seit 1984 gibt die Stadt Mannheim für alle Teilnehmer des Mannheimer Schifffahrtsbanketts zum Auftakt einen Empfang im Rittersaal. Dabei wird die Rheinschiffahrtsplakette an eine Persönlichkeit, die sich um die internationale Rheinschifffahrt besonders verdient gemacht hat, verliehen.
Im Jahr 2014 fand das Schifffahrtsbankett am 19. November statt. Unseren Bericht lesen Sie am Ende dieser Seite.
Träger der Rheinschiffahrtsplakette seit 1984
1984 |
Prof. Dr. Walter Müller |
Schweiz |
1985 |
Dr. Caspar Dütemeyer |
Deutschland |
1986 |
Dr. W. van den Boos |
Niederlande |
1987 |
G. Guillaume (Auswärtiges Amt) |
Frankreich |
1988 |
Johannes Sengpiel (Ministerialrat BVM) |
Deutschland |
1989 |
Dr. Karl Heinz Kühl |
Deutschland |
1990 |
Dr. H. U. Pabst |
Deutschland |
1990 |
Helmut Kühnle |
Deutschland |
1991 |
Claude Meistermann |
Frankreich |
1993 |
Pierre Pflimlin |
Frankreich |
1995 |
Max Wehrli |
Schweiz |
1996 |
Dr. Günther Wiese |
Deutschland |
1997 |
Dr. Philippe Grulois |
Belgien |
1998 |
Central-Kommission der Rheinschifffahrt |
Sitz in Strasbourg |
2000 |
R. Walthuis |
Niederlande |
2002 |
Heribert Becker |
Deutschland |
2005 |
Prof. Dipl.-Ing. Dierk Schroeder |
Deutschland |
2007 |
Rudolf Feierabend |
Schweiz |
2010 2014 |
Dr. Werner Korioth Cathérine Trautmann MdEU |
Deutschland Frankreich |